Tagblatt Online, 05. Januar 2012 08:00:00
Tagblatt Online, 05. Januar 2012 08:00:00

ESCHENZ. Arbeitssuchende in Eschenz können ein persönliches Coaching auf Kosten der Gemeinde in Anspruch nehmen. Gemeinderätin Heidi Springmann hat ein Präventionsprojekt auf den Weg gebracht, das mittlerweile Schule macht.

BARBARA HETTICH

 

 

«Kaum jemand ist gerne arbeitslos», sagt Heidi Springmann, seit eineinhalb Jahren Gemeinderätin in Eschenz und verantwortlich für das Ressort Soziales. Sie hat sich für die Einführung eines Präventions-Projekts stark gemacht. Alle Arbeitssuchenden in Eschenz dürfen auf Kosten der Gemeinde ein persönliches Coaching für die Arbeitssuche und die Wiedereingliederung in Anspruch nehmen. Dieses Angebot beinhalte eine persönliche Beratung, sei es bei der Jobauswahl, bei der Bewerbung oder beim äusseren Erscheinungsbild, erklärt Heidi Springmann. Die Kunden könnten zudem die Infrastruktur des Büros, wie PC oder Telefon, nutzen. Ein persönliches Coaching gehe weiter als die Beratungen bei den Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen, zudem habe nicht jeder einen Computer.

 

Aktiv angegangen

Bei der Umsetzung des Präventions-Projekts ist die Gemeinde aktiv geworden und in einem ersten Schritt wurden alle im vergangenen Jahr gemeldeten Arbeitslosen angeschrieben. «Wie viele davon bereits wieder eine neue Stelle hatten, wussten wir nicht, denn aus Datenschutzgründen bekommen wir vom RAV keine detaillierte Auskunft», sagt Heidi Springmann. 11 Personen hätten jedenfalls das Coaching gerne in Anspruch genommen, dies zeige, dass ein Bedürfnis vorhanden sei.

Des weiteren wurden alle arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger für das Coaching im Rahmen einer Weisung verpflichtet. «Das war eine Auflage für alle, die finanzielle Unterstützung beantragten», sagt Heidi Springmann.

 

Rückblickend ein Erfolg

Nach einem Jahr kann die Gemeinde eine erste Bilanz ziehen. Die meisten Teilnehmer des Personal-Coaching haben wieder eine Arbeit. Viele hätten vielleicht auch ohne Coaching eine neue Stelle gefunden. Wenn aber nur eine Person durch diese Massnahme nicht in der Sozialhilfe hängen bleibe, dann zahle sich der Einsatz finanziell aus. «Die positiven Rückmeldungen bestätigen, dass dieses Präventionsprojekt erfolgreich ist», sagt Springmann. Das Angebot soll deshalb weiterhin bestehen bleiben – für Arbeitslose wie für Sozialhilfeempfänger. Und das Projekt macht Schule: In Diessenhofen, Schlatt und Basadingen-Schlattingen wurde das Personal-Coaching ebenfalls eingeführt.

 

Sozialhilfe nicht überflüssig

Heidi Springmann ist seit 30 Jahren Case Managerin bei Axa Winterthur und kümmert sich um die Wiedereingliederung von verunfallten Menschen. «Ich habe kaum einmal jemanden erlebt, der nicht gerne wieder arbeiten würde», sagt sie. Jeder Mensch brauche das Gefühl, gebraucht zu werden. Ihre berufliche Erfahrung will sie in der Gemeinde Eschenz einbringen. Deshalb habe sie auch für den Gemeinderat kandidiert, sagt sie.

Dass es bei der Eingliederung auch Grenzen gibt, ist ihr bewusst. «Es gibt Menschen mit einer Mehrfachproblematik, die beim besten Willen nicht arbeitsfähig sind.» Dies gelte es zu akzeptieren. Insbesondere bei psychischen Problemen eines Klienten sei der Weg bis zu einer IV-Rente steinig. Meist werde ein Antrag im ersten Anlauf abgelehnt. Dies sei sowohl für die Klienten als auch für die sozialen Dienste mit grossem Aufwand für weitere Abklärungen verbunden und koste viel Zeit und Geld. «Ich wünschte mir diesbezüglich klarere und einfachere Wege.»

01.06.2011 - Schaffhauser Nachrichten

Individuelle Coaching-Nachfrage gestiegen

Das Arbeitslosenprojekt von Eschenz ist in Diessenhofen auf Interesse gestossen. Die ersten Klienten haben sich gemeldet, und weitere sollen folgen. Für einige ist es Pflicht, für andere freiwillig.

von Thomas riesen


Diessenhofen/Eschenz Seit diesem Jahr unterstützt die Gemeinde Eschenz Erwerbslose und Ausgesteuerte aktiv und individuell bei der Stellensuche. Damit reagierte die Gemeinde auf eine Revision der Arbeitslosenversicherung (unter anderem die Kürzung der Bezugstage). Die politische Verantwortung trägt Gemeinderätin Heidi Springmann, für die Umsetzung in der Praxis ist Eva Neuhauser zuständig – mit Erfolg. Die Gemeindekasse konnte bereits finanziell entlastet werden.


Erste Klienten zugewiesen

Durch Berichte in den Medien (SN vom 12. Februar und 19. April) wurde Irène Pfister, Leiterin der Sozialhilfe Diessenhofen, auf das Angebot aufmerksam. Sie setzte sich mit Neuhauser in Verbindung, und die beiden wurden sich einig – zum Tarif für Auswärtige, also 20 Franken pro Stunde Beratung. Sie wies der Eschenzerin drei Klienten zu, von denen sich bisher zwei bei der Personalfachfrau gemeldet haben. Ein zweiter Hinweis auf das individuelle Coaching erfolgte für Pfister durch den Zuzug eines Eschenzers, der jetzt über die Sozialhilfe seiner neuen Gemeinde den Weg zu Neuhauser fand. Gleichzeitig betont die Leiterin, dass sie aber auch noch mit der Stiftung Zukunft des Kantons zusammenarbeiten würden, nachdem der Kanton – ebenfalls aufgrund der Revision der Arbeitslosenversicherung – die Gemeinden finanziell unterstützt. Und diese Revision wirkte sich in der Praxis für Diessenhofen auch tatsächlich negativ aus, es kamen einige neue Ausgesteuerte dazu.


Imageproblem «vom Sozialamt»

Pfister sieht einen wesentlichen Vorteil in der Zusammenarbeit mit Neuhauser. «Wenn wir bei Firmen nachfragen, ob sie eventuell eine Einsatzmöglichkeit für unsere Klienten haben, erfahren die Verantwortlichen dass diese auf dem Sozialamt gemeldet sind, und das ist heikel, obwohl die Leute teilweise nichts dafür können.» Zudem habe die Eschenzerin bessere Möglichkeiten, als sie bei der Sozialhilfe hätten. Deshalb will Pfister die Zusammenarbeit jetzt ausbauen, wobei das für jene Betroffenen Pflicht ist, «die es nötig haben». Als Beispiel nennt die Leiterin der Sozialhilfe eine ungenügende Qualität der Unterlagen für die Bewerbung. Für alle anderen ist die Teilnahme freiwillig. In Eschenz freut man sich darüber, dass die Idee so gut ankommt. «Es ist gut, wenn auch andere Gemeinden dieses Angebot in Anspruch nehmen. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, nachdem dies bereits durch die Erfolge bei der Vermittlung belegt ist», sagt sie und freut sich, dass Eschenz damit für positive Schlagzeilen sorgt.


Direkter Firmenkontakt

Neuhauser hat sich sehr über die Anfrage aus der Stadtgemeinde gefreut. Damit sei belegt, dass die Bedeutung der Unterstützung für die Suchenden erkannt sei. «Es ist ein Gewinn für sie und für die Betroffenen», fasst sie zusammen, und die Aufgabe hat inzwischen für sie das Ausmass einer 40-Prozent-Stelle angenommen – und die Tendenz ist steigend. «Für mich ist diese Nachfrage der Beweis, dass diese Unterstützung auch für andere Ausgesteuerte nötig wäre und die Suche einen anderen Takt erfordert.» Bei ihr gibt es keinen Zweifel: Das müsste man systematisch angehen, das sei ein Manko des bestehenden Systems. Und sie sieht noch einen weiteren Ansatz: Die Firmen müssten den direkteren Kontakt zu ihren Standortgemeinden pflegen. «Wenn sie eine Stelle zu vergeben haben, könnten sie direkt anfragen, ob in der Gemeinde jemand verfügbar ist, der passend wäre.» Diesen Weg wünscht sie sich parallel zur Anmeldung der freien Stelle beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum Frauenfeld (RAV). Denn eines war von vornherein klar: Das Eschenzer Angebot darf sich nicht mit dem Angebot des RAV überschneiden. Es ist als Ergänzung gedacht.


Vorgeschichte Mehr Engagement bei der Hilfe zur Stellensuche

Eschenz unterstützt Erwerbslose und Ausgesteuerte individuell bei der Stellensuche. Ihren Dienst bietet sie über die In Re Consulting und über Eva Neuhauser an. Die Gemeinde übernimmt die Kosten von maximal 15 Stunden persönlichem Coaching pro Teilnehmer zu einem Stundenansatz von 13.50 Franken. Auswärtige zahlen 20 Franken pro Stunde. Die Teilnahme für Fürsorgebezüger ist in Eschenz obligatorisch, für Erwerbslose freiwillig. Die 38-Jährige hat Personalerfahrung gesammelt und musste feststellen: «Frauen mit Kindern und über 50-Jährige werden nicht mehr beachtet, das ist unsozial.» Ihr Arbeitsprinzip: Sie sagt ihren Klienten immer die Wahrheit, zeigt ihnen die Realität auf – bietet Hilfe zur Selbsthilfe. Neuhauser begleitet ihre Kunden (sie nennt sie «meine Schäfchen») von der Überarbeitung der Bewerbungsunterlagen bis zur gezielten Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche. Ihre bisherige Bilanz: Zwei Bezüger von Fürsorge haben wieder Arbeit, und ein Fürsorgebezüger kann ein Jahr länger Geld von der Arbeitslosenversicherung beziehen dank der Teilnahme am Programm. Auch ein 50-jähriger Freiwilliger hat wieder einen Arbeitsplatz gefunden. (tri)

19.04.2011 . Schaffhauser Nachrichten

Einsparungen durch Investitionen

Eva Neuhauser fördert und fordert ihre Klienten gleichzeitig; sie bietet Hilfe zur Selbsthilfe. Bild Thomas Riesen

Eva Neuhauser fördert und fordert ihre Klienten gleichzeitig; sie bietet Hilfe zur Selbsthilfe. Bild Thomas Riesen

 

Die Gemeinde Eschenz unterstützt Erwerbslose und Ausgesteuerte mit einem individuellen Bewerbungs-Coaching. Jetzt liegt die erste Bilanz vor, und sie zeigt: Das Engagement lohnt sich.

von Thomas Riesen


Eschenz Betreut werden die Betroffenen von Eva Neuhauser. Die 38-Jährige hat einst beim Billettservice Zug (einer Art Ticketcorner für die Region) Personal geführt. «In dieser Funktion musste ich Personal suchen und kündigen», blickt sie zurück. Dazu kamen mehrere Weiterbildungen im Personalbereich. Und je länger sie in diesem Bereich tätig war, stellte sie fest: «Frauen mit Kindern und über 50-Jährige werden nicht mehr beachtet. Das ist unsozial.» Gleichzeitig stellte sie fest, dass viele dieser Bewerberinnen und Bewerber eigentlich gut qualifiziert waren.

 

Schnell einig

2008 kehrte die in Eschenz aufgewachsene verheiratete Mutter in ihre Heimatgemeinde zurück, und die Familie baute ein Haus. Parallel dazu suchte sie den Einstieg in den Vermittlungsbereich. «Ich wollte denen helfen, die zwischen Stuhl und Bank gefallen waren und schon fast Bettelbriefe statt Bewerbungen geschrieben hatten», sagt sie. Als die Gemeinderätin Heidi Springmann, sie ist für das Ressort Soziales zuständig, davon erfuhr, wandte sie sich an Neuhauser, und die beiden waren sich schnell einig: Neuhauser übernimmt das Mandat der Gemeinde (SN vom 12. Februar, «Wir müssen selber aktiv werden»).

 

«Freiwillig» ist wichtig

Im Januar dieses Jahres ging es mit dreizehn Kandidatinnen und Kandidaten offiziell los. Neun wurden noch vom RAV betreut (Teilnahme freiwillig), vier waren Ausgesteuerte und Fürsorgebezüger (Teilnahmepflicht). Neuhauser teilte sie in zwei Gruppen ein: jene, die zwar ausgebildet, aber in ein Lebensloch gefallen waren sowie jene, denen oft die einfachsten Möglichkeiten wie Internet oder Mobiltelefon fehlten. Bei beiden traf sie auf das gleiche Phänomen: Motivationslosigkeit. «Sie waren frustriert, ohne Hoffnung und hatten oft keine Kraft mehr», fasst die gelernte Verkäuferin zusammen und betont: «Ich zeigte ihnen eine andere Sichtweise auf, die ich mir oft auch als Personalsuchende von Bewerbern gewünscht hätte.» Wichtig ist ihr dabei die Betonung des Wortes «freiwillig». Wer komme, habe bereits den ersten Schritt gemacht und sei bereit, Ratschläge anzunehmen. Allerdings gilt das nicht für alle Teilnehmer. In wenigen Fällen meldeten sich Personen, die nicht wirklich interessiert waren. Mit ihnen verschwendet sie nicht viel Zeit. «Nach dem zweiten Anlauf müssen sie gehen», betont sie und lässt keine Zweifel offen: «Ich sage den Leuten die Wahrheit direkt ins Gesicht.» Sie will die maximal 15 Stunden pro Person effizient nutzen. «In dieser Zeit müssen die Betroffenen den roten Faden und ihre Motivation finden sowie ihren Weg selbständig gehen können.» Das Prinzip lautet: Hilfe zur Selbsthilfe.

 

Mehrere Erfolgsmeldungen

Nun liegt eine erste Auswertung der Resultate nach etwas weniger als vier Monaten vor. Von den vier Fürsorgebezügern sind zwei per 1. Mai fündig geworden (100 Stellenprozent und 50–60 Stellenprozent), und bei einer Person wurde der Arbeitsvertrag im Zwischenverdienst um ein Jahr verlängert – aufgrund der Teilnahme. Auch bei den freiwilligen Teilnehmern gibt es Erfolgsmeldungen. Ein 50-Jähriger hat wieder einen Arbeitsplatz, und eine Person im Zwischenverdienst wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Andere sind ausgeschieden, weil sie eine Weiterbildung machen, vom RAV zu einem Arbeitsprojekt eingezogen wurden, aus gesundheitlichen Gründen eine Pause einlegen müssen, Mutter werden oder es jetzt allein versuchen wollen. «Ich bin sehr zufrieden und glücklich über diesen Verlauf», so Neuhauser und braucht immer wieder das Wort «wir» – also sie und ihre Klienten. «Mit der Zeit wachsen einem einige ans Herz, und wenn es Zeit ist, muss ich meine Schäfchen gehen lassen», sagt sie und betont: «Reich werde ich nicht.» Für sie ist es auch ein persönliches Engagement.

 

Tausende von Franken gespart

Der für Eschenzer von der Gemeinde finanzierte Stundenansatz liegt bei 13.50 Franken, Auswärtige bezahlen 20 Franken pro Stunde. Und wenn es so weitergeht, hat sie bald keine Klienten mehr. Aus Eschenzer Sicht wäre das ein Gewinn, schliesslich kostet ein Fürsorgebezüger schnell einige Tausend Franken pro Jahr und belastet direkt die Gemeindekasse.

 

Individuelles Coaching Offenheit auf dem Weg zurück in den Arbeitsmarkt

Eschenz Arbeitsgrundlage für Eva Neuhauser beim individuellen Coaching von Erwerbslosen und Ausgesteuerten ist Offenheit. Sie zeigt die Realität auf. Das beginnt bei der Ursachenforschung, warum Bewerberinnen und Bewerber so viele Absagen erhalten. Um das abzuklären, reichen diese ihre Unterlagen ein, auch als Vorbereitung für das erste Gespräch. So kann sie später vergleichen, ob Dossier und Aussagen übereinstimmen.

 

Ein häufiges Problem sind Lücken, und das vor allem bei Frauen, die Mutter wurden. «Acht von zehn Bewerbungen sind Standard, unsere gehören nicht dazu», sagt sie und verwendet bewusst das Wort «unsere». Neuhauser identifiziert sich mit ihren Klienten und übernimmt teilweise die Rolle einer «Psychiaterin» – denn sie haben oft eine schwere Zeit hinter sich und sind nicht selten in einer schwierigen Situation. Wenn die Unterlagen fertig überarbeitet sind, inklusive eines neuen Fotos, beginnt die eigentliche Vorbereitung der Stellenbewerbungen. Neuhauser rät allen Betroffenen die auf ein Inserat reagieren, eine telefonische Vorabklärung zu treffen. Dabei müssten die richtigen Fragen gestellt werden. Deshalb bereitet sie dieses Gespräch mit ihren Klienten vor und lässt sie von ihrem Büro aus telefonieren – wo sie mithören kann. Eine wichtige Frage ist der Zeitplan beim Auswahlverfahren. Ist eine Frist abgelaufen, rät Neuhauser dazu, nachzufragen. Sollte es zum Vorstellungsgespräch kommen, wird dieses vorbereitet. «Wenn wir so weit kommen, sind die Klienten sehr motiviert, weil sie etwas Positives erlebt haben.» Danach gibt es zwei Möglichkeiten: Zusage oder Absage. Im zweiten Fall ist sie für «ihre Schäfchen» da und lässt keine Zweifel offen: «So etwas darf man nicht in sich hineinfressen. Die Unterlagen sind gut, und darauf können sie stolz sein.» Unabhängig davon rät sie im Falle einer Absage zur Nachfrage für den Grund. Vielleicht kann man noch etwas verbessern. (tri)

12.02.2011 - Schaffhasuer Nachrichten

«Wir müssen selber aktiv werden»

Heidi Springmann will von den Betroffenen Eigenverantwortung fordern und das Selbstwertgefühl fördern. Bild Thomas Riesen

Heidi Springmann will von den Betroffenen Eigenverantwortung fordern und das Selbstwertgefühl fördern. Bild Thomas Riesen

 

Der Gemeinderat von Eschenz hat auf die Revision der Arbeitslosenversicherung reagiert. Betroffenen soll die Rückkehr ins Berufsleben mit einem persönlichen Coaching erleichtert werden. Ein Erfolg wurde bereits erzielt.

von Thomas Riesen


Eschenz Die Ausgangslage ist klar: Mit der Taggeldkürzung und anderen Massnahmen soll die Arbeitslosenversicherung finanziell entlastet werden. Auf der anderen Seite bedeutet das für die Gemeinden mehr Menschen, die bei der Sozialhilfe landen – und damit wird es zum lokalen Thema. «Wir müssen selber aktiv werden», sagt Heidi Springmann, im Gemeinderat für das Ressort Soziales zuständig. Zu dieser Erkenntnis ist sie über ihre Tätigkeit als Case-Managerin gekommen. Dort befasst sie sich mit der Wiedereingliederung von Verunfallten und Erkrankten in das Berufsleben. Grundlage sei immer die persönliche Betreuung. «Ich gehe auf den Klienten ein, fordere Eigenverantwortung und fördere sein Selbstwertgefühl», sagt sie und fügt hinzu: «Erwerbslose und Ausgesteuerte sind oft sich selber überlassen. Viele würden gerne mehr machen.»

 

Umfrage war ein Erfolg

Zu diesem Schluss kommt die Gemeinderätin aufgrund von Anfragen von Eschenzern, die sich direkt an sie wandten. Daraufhin wurden alle Betroffenen von der Gemeindebehörde angeschrieben, ob sie Interesse an einem individuellen Coaching zur Stellensuche hätten, und das Ergebnis bestätigte den Eindruck von Springmann. Die Umfrage war ein Erfolg, und viele Betroffene meldeten sich an. In einem Fall konnte mit der Anmeldung bereits eine Verlängerung eines Arbeitsvertrages erwirkt und damit ein Abrutschen in die Abhängigkeit vom Sozialdienst verhindert werden. Ebenfalls führte die Initiative der Gemeinderätin zu weiteren Anrufen von Betroffenen. «Insgesamt war das Echo sehr gut, und das zeigt mir, wie wichtig es ist, diese Leute abzuholen, verbunden mit der Botschaft, dass sie sich nicht verstecken müssen und die Gemeinde Unterstützung anbietet», fasst Springmann zusammen. Durchgeführt wird das individuelle Coaching durch Eva Neuhauser von «In Re Consulting». Die Gemeinderätin hatte bereits davon gehört, sich im Vorfeld bei ihr erkundigt und gefragt, ob sie an einer Mitarbeit interessiert sei. Die beiden waren sich schnell einig, «das ist ein gutes Projekt». Klarheit herrschte auch in einem anderen Punkt: Das Angebot darf sich nicht mit dem Angebot des RAV Frauenfeld überschneiden, welches die Eschenzer Erwerbslosen betreut.

 

«Aufwand lohnt sich bereits»

Im Vordergrund steht vor allem ein persönliches und sehr individuelles Coaching. Unabhängig davon macht sie sich keine Illusionen: «Einige Probleme der Suchenden können wir nicht lösen, und auf den Arbeitsmarkt haben wir keinen Einfluss.» Aber wenn es gelänge, nur wenige Teilnehmer wieder in das Berufsleben zu integrieren, sei das Projekt bereits ein Erfolg. Das individuelle Coaching ist für jeden Teilnehmer auf 15 Stunden beschränkt. Dar-über hinaus wird von Fall zu Fall entschieden. Zudem werden neue Klienten der Sozialhilfe der Expertin für Bewerbungen künftig direkt gemeldet. «Wir haben Glück, dass wir jemanden wie Frau Neuhauser in der Gemeinde gefunden haben, mit der wir eine Zusammenarbeit eingehen konnten», betont die Gemeinderätin und rechnet vor: «Mit dem abgewendeten Sozialfall haben sich die finanziellen Aufwendungen bereits gelohnt.» Von einer Pflichtteilnahme hält sie aber nichts. «Das Programm funktioniert nur auf freiwilliger Basis.»

 

«Eine Überlegung wert»

Eine Umfrage unter den Gemeindeverantwortlichen der Region zeigt, dass die Idee auf Interesse stösst. Peter Mathys, Gemeindeammann von Basadingen-Schlattingen, verfolgt die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls mit Besorgnis und findet die Idee gut. «Es wäre eine Überlegung wert und ist ein Schritt in die richtige Richtung.» Er werde verfolgen, wie sich das Projekt in Eschenz entwickle. Gleichzeitig betont er ebenfalls: «Man muss nicht viele Betroffene vor der Sozialhilfe retten, damit sich der Aufwand lohnt.» Für ihn ist klar: je Professioneller die Suche, umso grösser die Chance, eine Stelle zu finden. Dieser Meinung schliesst sich Franz Hostettmann, Stadtpräsident von Stein am Rhein, an. Es sei gut, wenn es einer Gemeinde gelinge, sozial Schwächere wieder zu integrieren. «Wenn sich die Lösung bewährt, müsste man sie eventuell auch prüfen.» Stefan Straub, Gemeindepräsident von Hemishofen, erinnert erst an die Eigenverantwortung. Wer Ausgesteuert werde, der sei vorher durch das RAV gecoacht worden und wisse, wie man sich bewerbe. Aber er sagt auch: «Wenn man so auf dem Weg zurück in die Arbeitswelt Hilfe bieten kann, ist die Idee gut.» Unabhängig davon fordert er: «Es ist eine unselige Geschichte, dass Gewinne im zweistelligen Bereich liegen müssen. Man sollte wieder mehr den Wert des Menschen schätzen.»

 

Im Notfall regional aufziehen

Walter Sommer, Stadtammann von Diessenhofen, weiss noch nicht, was er von der Eschenzer Idee halten soll. «Die Mitarbeiter der RAV bieten Unterstützung, und ich frage mich, ob ein persönlicher Coach mehr bringt. Wenn es aber ein Erfolg werden sollte, wäre es denkbar, dass wir die Idee aufgreifen. Wir verfolgen das Projekt mit Interesse.» Der Schlatter Gemeinde-ammann Kurt Engel ist sich bewusst, dass man das Thema im Auge behalten muss, sieht aber im Moment keinen Handlungsbedarf. Und sollte es so weit sein, dann wäre das RAV erster Ansprechpartner, von dem er viel hält. «Beide Angebote müssten gut koordiniert werden», sagt er. Darüber hinaus fragt er sich: «Von wem bekämen wir ein kompetentes Angebot?» Dabei wäre für ihn klar, dass es regional aufgebaut werden müsste, also im Verbund mit anderen Gemeinden. Aber er wird die Entwicklung in Eschenz in jedem Fall verfolgen, denn es würde im Notfall keinen Sinn machen, das Rad noch einmal zu erfinden.